Nachfolgend wird anhand eines Beispiels folgende Frage diskutiert:
Besteht bei einem Patienten weiterhin eine psychotische Störung bei dem vor einigen Monaten während eines stationären Aufenthalts in der Psychiatrischen Klinik eine schizophren-psychotischen Störung (z.B. ICD-10 F 20.0) diagnostiziert worden ist und bei dem zur Zeit der aktuellen Untersuchung keine Symptome mehr manifest sind.
Es stellt sich also die Frage ob nach dem Abklingen der akuten Symptome bei der Person immer noch eine Schizophrenie in latenter Form besteht oder nicht? Mit anderen Worten: Ist die Diagnose noch zu stellen oder nicht?
Die Frage wird in Bezug auf die Kant`schen Erkenntnisse nachfolgend diskutiert und beantwortet.
Antwort:
Die Frage ob eine schizophrene Störung noch fortbesteht ist genau genommen nicht beantwortbar.
Es kann nicht allgemein gültig entschieden werden, ob beim Betroffenen nach dem Abklingen der aktuten Symptome noch eine schizophrene Störung vorliegt oder nicht (wenn die entsprechenden Symptome nicht mehr vorhanden sind). Das heißt in diagnostischer Hinsicht kann die Frage nicht entschieden werden, ob das Aussprechen einer Diagnose noch zutreffend ist oder nicht.
In Bezug auf das Nervensystem, in Bezug auf den Funktionszustand des Gehirnes, ist allerdings unabhängig davon, ob von einer noch latent bestehenden schizophrenen Störung gesprochen wird oder nicht, erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass geringe Auslöser oder unter Umständen auch spontan neuerdings eine gleichartige Störung auftreten kann. Die Frage ob also zur Vorbeugung gegen das Wiederauftreten einer psychotischen Störung spezifische Medikamente weiterhin eingenommen werden sollen oder nicht, sollte nicht von der Feststellung einer noch weiterhin „gültigen“ Diagnose abhängig gemacht werden. Die Feststellung der Diagnose allein ist diesbezüglich nur relativ von Bedeutung.
Die einzelne Fachperson mag die Fach-„Meinung“ vertreten, dass eine Psychose in lantenter Form noch fortbesteht – und daher die Diagnose zu stellen ist – oder die Fachmeinung vertreten, dass eine solche Diagnosse nun nicht mehr gerechtfertigt ist, unabhängig davon ist jedoch davon auszugehen, dass eine gewisse, gegenüber der Norm erhöhte „Vulnerabilität“ (Störanfälligkeit) der Gehirnfunktionen besteht.
Allgemein gültig kann aber die Frage nicht beantwortet bzw. entschieden werden, ob diese oder jene Fachmeinung richtig ist. Unabhängig davon sollte jedoch mit dem behandelnden Arzt beraten werden, ob es sich empfiehlt die Behandlung fortzusetzen bzw. wann es sich empfiehlt die Behandlung „auszuschleichen“. Das heißt jede Fachperson, egal mit welchen Argumenten sie ihre Ansicht vertritt, vertritt bezüglich der Meinung ob die zuvor gestellte Diagnose noch gilt oder nicht gilt ihre persönliche Meinung. In Bezug auf die Terminologie von Immanuel Kant handelt es sich also um ein Wahrnehmungsurteil und nicht ein Erfahrungsurteil.
Da die Erkenntnis nur in Bezug auf eine bloße Idee geprüft werden kann, kann die Frage in Bezug auf das Zutreffen der Diagnose nicht objektiv das heißt nicht allgemeingültig beantwortet werden. Unabhängig davon kann es jedoch empfehlenswert sein – gemäß ärztlichem Rat – die Therapie noch fortzusetzen, weil diese Empfehlung sich auf die allgemeine klinische Erfahrung, sowohl die persönliche wie die allgemeine wissenschaftlich gestützte Erfahrung gründet und macht es daher Sinn eine angemessenen Behandlung in Anspruch zu nehmen, weil diese einen relativen Schutz vor dem Wiederauftreten von derartigen Störungen gewährleistet.
Mit anderen Worten die Diagnose als solche ist nicht konstitutiv und rechtfertigt für sich allein keine Handlung in dieser oder jener Hinsicht, sondern sie ist nur regulativ bzw. relativ. (vergleiche mit Kant Zitat 4)
Siehe auch den Beitrag: Beispiel zur Feststellung der Diagnose: Schizophrenie .
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