Medizinische Diagnose – Einleitung

Medizinische Diagnosen sind Einheiten um Krankheiten oder gesundheitliche Störungen unter den Begriffen dieser Einheiten aufzufassen.

Man kann auch sagen:

Medizinische Diagnosen sind Bezeichnungen um die Merkmale der Krankheiten bzw. die Merkmale der gesundheitlichen Störungen unter den Begriffen dieser medizinischen Einheiten aufzufassen.

Es ist nützlich wenn man als Arzt bzw. Untersucher sich dessen bewusst ist, dass primär die Natur mit den mannigfaltigen Krankheitserscheinungen vorhanden war und dass die Menschen erst sekundär sich Gedanken über die Krankheitserscheinungen und deren Entstehung gemacht haben. Aus diesen Krankheitserscheinungen ist im Lauf der Zeit das medizinische “Wissen” hervorgegangen – sprich aus den Krankheitserscheinungen und dem, was man in diesem Zusammenhang entdeckt hat, ist in weiterer Folge das „medizinische Wissen“, so wie es sich im „medizinischen Lehrbuch“ findet, hervorgegangen.

Das heißt, die diagnostischen Einheiten sind einerseits aus den natürlichen Erscheinungen (natürlichen Phänomenen), also aus „physischen“ Zeichen abgeleitet worden – und andererseits aus  klinischen Erscheinungen, die nicht direkt auf eine „physische“ Grundlage zurückgeführt werden können.

Daher gibt es medizinische Zeichen, die als objektive Zeichen bzw. objektive Befunde bezeichnet werden. Es sind dies Zeichen (Befunde), die direkt oder indirekt auf eine körperliche Ursache zurückgeführt werden können. Andererseits gibt es Zeichen (Befunde), die oftmals nicht direkt auf körperliche Ursachen zurückgeführt werden können. So sind Symptome (z.B. Schmerzen) und nicht-objektivierbare Phänomene medizinische Befunde, die nicht direkt auf körperliche Ursachen zurückgeführt werden können.  Symptome und nicht objektivierbare Phänomene werden von einer Person in ihrem Bewusstsein subjektiv gültig wahrgenommen. Man kann daher auch sagen: ein Symptom erscheint im Bewusstsein einer Person als der Begriff eines subjektiv erlebten Phänomens.

Aus der Geschichte der Medizin kann man ersehen, dass die verschiedenen diagnostischen Einheiten erst im Laufe der Zeit entdeckt worden sind. Bei der Entdeckung einer diagnostischen Einheit sind die spezifischen Zeichen bzw. charakteristischen Zeichen (Merkmale) dieser Einheit identifiziert worden und war es in weiterer Folge möglichen einen konkreten Fall bzw. einen konkreten Krankheitszustand dieser Einheit zuzuordnen, wenn diese spezifischen Zeichen (Merkmale) aufgefunden worden sind. In weiterer Folge war es auch möglich systematisch derartige Fälle zu beobachten und in der Wissenschaft zu studieren. Man konnte also so empirisch herausfinden welche Behandlungsmaßnahme bzw. welche Therapie sich bei einer gewissen gesundheitlichen Störung (Krankheit) am besten bewährt. Auf dieser Grundlage hat sich die Diagnostik und die Wissenschaft in der Heilkunde entwickelt.

Betrachtet man die diagnostischen Einheiten, die in der Medizin entdeckt worden sind, so findet man solche, die auf der Grundlage der Beobachtung von körperlichen Zeichen (Merkmalen) entdeckt worden sind und andererseits solche, die auf der Grundlage von Symptomen und nicht objektiv bestimmbaren Phänomenen beschrieben worden sind. Diese letztgenannten Einheiten sind also auf der Grundlage von Symptomenkomplexen erfasst worden.

Auf diese Art und Weise hat man einerseits diagnostische Einheiten entdeckt, die infolge der körperlichen Befunde einer Gattung zugeordnet werden konnten (etwa einer Entzündung der Leber, oder einer Blutkrankheit mit wenig Blutzellen usf.) und andererseits diagnostische Einheiten, die man nur auf der Grundlage von gewissen Vorstellungen (Ideen) auf der Ebene der Ideen klassifizieren konnte (z.B. die verschiedenen Schmerzformen, etwa den Spannungskopfschmerz, die Migräne usf.)

Gemäß diesen Krankheitseinheiten bzw. diesen Krankheitskategorien kann man in der Praxis der Heilkunde die vorkommenden gesundheitlichen Störungen bzw. Krankheiten einer gewissen Einheit zuordnen. Man kann leicht einsehen, dass es manchmal schwierig ist einen konkreten Fall genau einer passenden “Schublade” zuzuordnen – wie sie im Lehrbuch beschrieben ist. Es gibt also in der Diagnostik Fälle, die nicht eindeutig einer diagnostischen Einheit zugeordnet werden können, weil sowohl die Zeichen der einen Einheit, wie auch die Zeichen einer anderen Einheit vorhanden sind.

Mit anderen Worten: in gewisser Hinsicht ist es natürlich, dass gelegentlich eine diagnostische Zuordnungs-Unsicherheit bzw. manchmal ein diagnostisches Zuordnungsproblem entsteht bzw. besteht.

Es gibt also in der Medizin, selbst dort wo die Diagnosen auf der Grundlage von körperlichen objektiven Zeichen bestimmbar sind unter Umständen gewisse diagnostische Zuordnungsprobleme und Zuordnungs-Unsicherheiten. Solche Bestimmungsprobleme gibt es bekanntlich auch in der Zoologie, in der Botanik und auch in sonstigen naturwissenschaftlichen Bereichen. Zum Beispiel kann in der Medizin oftmals nicht unzweifelhaft entschieden werden, ob z.B. in abnormes Zellbild (noch) als myeloische Leucämie oder (schon) als lymphatische Leucämie zu bezeichnen ist. In gleicher Weise kann in der Medizin unter Umständen auch nicht eindeutig entscheiden werden, ob eine Darmentzündung  (noch) als Morbus Crohn oder (schon) als Colitis ulcerosa bezeichnet werden soll. Gleichartige Zuordnungsprobleme gibt es auch in der Botanik und es gibt es daher auch in diesem Bereich Fragen wie: gehört diese Blume zu dieser Gattung, oder zu jener Gattung? Oder bildet diese Blumenart bereits eine neue, eine weitere Gattung? usf.

Es ist also natürlich, dass gewisse diagnostische Probleme auch im objektiv diagnostizierbaren Bereich der Medizin in Grenzfällen auftreten, wo auf der Grundlage der vorgefundenen Zeichen nicht hinreichend eindeutig entschieden werden kann, ob dieser oder jener diagnostische Begriff zutreffend ist.

Eine grundsätzlich andere Situation besteht allerdings in der Medizin dort, wo diagnostische Erkenntnisse sich auf nicht-demonstrierbare Befunde gründen. Wenn also eine gesundheitliche Störung nur auf der Grundlage von Merkmalen erfasst werden kann, die nur als Merkmale im Bewusstsein einer Person erscheinen, wie dies bei den nicht objektivierbaren Symptomenkomplexen der Fall ist.

Symptome und nicht objektivierbare Phänomene können nämlich nicht „physisch“ nachgewiesen werden, weil es sich hierbei um mentale Erkenntnisobjekte handelt. Es handelt sich hierbei um Vorstellungen bzw. um Ideen, die im Bewusstsein einer Person erlebnisbedingt erscheinen.

Es gibt in der Medizin einen großen Bereich in dem die diagnostischen Erkenntnisse sich auf Symptome und nicht objektivierbare Phänomene gründen. In der Psychiatrie gründen sich praktisch alle diagnostischen Erkenntnisse auf psychische Symptome und psychische Phänomene, die auch als psychopathologische Phänomene bezeichnet werden.

Es sind uns also in dem vorgenannten Teilbereich der somatischen Medizin und in der Psychiatrie die charakteristischen Merkmale der gesundheitlichen Störungen nicht als physische Objekte, als ”Gegenstände schlechthin” uns zur Erkenntnis gegeben, sondern es sind uns diese charakteristischen Merkmale der gesundheitlichen Störungen nur als mentale Objekte, als “Gegenstände in der Idee“ zur Erkenntnis gegeben. (vgl. mit Kant Zitat 7)

So sind uns beispielsweise die charakteristischen Symptome der gesundheitlichen Störung, die wir als Migräne bezeichnen uns nicht als physische Objekte (physische Befunde) zur Erkenntnis gegeben, sondern nur als mentale Objekte gegeben,  die in unserem Bewusstsein als Symptome bzw. als Phänomene erscheinen. Das heißt der Patient teilt dem Arzt mit, von welcher Art seine Schmerzen und sonstigen Beschwerden sind und gelangt damit der Arzt auf der Grundlage dieser Informationen zur Feststellung der Diagnose Migräne.

In gleicher Weise werden auch in der Psychiatrie (Psychologie, Psychotherapie) diagnostische Feststellungen nicht auf der Grundlage von physischen Objekten bzw. den Zeichen von physischen Objekten, sondern auf der Grundlage von mentalen Objekten, nämlich auf der Grundlage von psychischen Phänomenen (gr. phenomenon – das Erscheinende, das was erscheint) getroffen.

Damit gründen sich die symptomatisch definierten medizinischen Diagnosen und die symptomatisch bzw. phänomenologisch definierten psychiatrischen Diagnosen auf Ideen (Vorstellungen), die nicht unmittelbar empirisch am Probierstein der Erfahrung (vgl. mit Kant Zitat 10) geprüft werden können. Es handelt sich damit also bei diesen Ideen um ”bloße Ideen” im Sinn von Immanuel Kant. (vgl. mit Kant Zitat 8)

Dies hat der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers erkannt. (vgl. mit Jaspers Zitat)

Zusammenfassend kann man also sagen, dass ein Teil der Diagnosen der gesundheitlichen Störungen (Krankheiten) auf der Grundlage von physischen Objekten erkannt wird, und ein weiterer Teil der Diagnosen von gesundheitlichen Störungen auf der Grundlage von Symptomen und Phänomenen festgestellt wird, die als mentale Objekte in unserem Bewusstsein erscheinen. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Karl Japers unterscheidet daher zwischen Typen und Gattungen (vgl. mit dem Jaspers Zitat). Die Diagnosen die auf der Grundlage von körperlichen Zeichen bzw. auf der Grundlage von körperlichen Befunden, also auf der Grundlage von körperlichen Fakten diagnostiziert werden, ordnet man einer Gattung zu. Hingegen kann man die gesundheitlichen Störungen, die nur auf der Grundlage von Symptomen und nicht objektivierbaren Phänomenen erkannt werden, die also auf der Grundlage von Ideen erkannt werden nur einem Typus – sprich einem definierten Ideal zuordnen. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Von solchen, nicht überprüfbaren, nicht objektivierbaren Diagnosen und damit nur subjektiv gewiss feststellbaren medizinischen Erkenntnissen ist auf der Seite medizinische Diagnose – psychiatrische Diagnose und in anderen Beiträgen dieser website eingehend die Rede.

Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den psychiatrischen Diagnosen und den medizinischen Diagnosen sind in kurzer Form auf dem Poster:

MEDICAL DIAGNOSES AND PSYCHIATRIC DIAGNOSES – THE DIFFERENCE – IN THE LIGHT OF IMMANUEL KANT` S PHILOSOPHY

dargestellt, der am 18th European Congress of Psychiatry der European Psychiatric Association im Frühjahr 2010 in München vorgestellt worden ist.

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Beispiele für körperliche (somatische) Krankheitszustände bzw. körperliche Diagnosen, die allgemein gültig überprüft werden können bzw. die objektivierbar sind:

Herzinfarkt

Pneumonie

Bronchitis

Hepatitis

Leberzirrhose

usf.

Beispiele für körperliche (somatische) Krankheitszustände bzw. Diagnosen, die nicht objektivierbar sind und daher nur subjektiv gewiss festgestellt werden können:

Migräne

Spannungskopfschmerz

vegetative Dystonie

Tinnitus

Fibromyalgie

Fatigue- Syndrom

usf.

Beispiele für psychische bzw. psychiatrische  Krankheitszustände (psychische Störungen) bzw. Diagnosen – die nicht physisch überprüfbar sind bzw. die nicht objektivierbar sind und nur subjektiv gewiss festgestellt werden können:

depressive Störung (= Depression)

Schizophrenie

Borderline-Persönlichkeitsstörung

Anpassungsstörung

neurotische Störung

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung)

Demenz

usf.

(letzte Änderung 30.01.2018, abgelegt unter: medizinische Diagnose,

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